Dr.in Martina Kronberger-Vollnhofer, MSc
Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, 
Palliative Care in der Pädiatrie
Leitung MOMO

1. Juni österreichischer Kinderhospiz- und Palliativtag

Gedanken von Dr. Martina Kronberger-Vollnhofer, GF MOMO zum ersten österreichischen Kinderhospiz- und Palliativtag

Pressekonferenz 1. Juni 2021

Österreichischer Kinderhospiz- und Palliativtag

Palliative Care bei Kindern und Jugendlichen umfasst ein weites Feld an verschiedensten Erkrankungen, unterschiedlichsten Betreuungssituationen und Altersgruppen.

Kinder die durch Probleme rund um die Geburt, wie Frühgeburtlichkeit oder Sauerstoffmangel einen schwierigen Start ins Leben haben oder mit schweren Erkrankungen, wie beispielsweise neuromuskulären Krankheiten oder Stoffwechselerkrankungen geboren werden. Andere erkranken erst im Laufe ihrer Kindheit an einer lebensbedrohlichen Krankheit, wie etwa einer Krebserkrankung oder sie überleben einen Unfall mit schweren Beeinträchtigungen.

Die Betreuung der Kinder und Jugendlichen umfasst die Altersgruppe der Neugeborenen bis zum hin zum vollendeten 18. Lebensjahr, häufig aber auch darüber hinaus, da es besonders im jungen Erwachsenenalter große Versorgungslücken im Sinne der Bedürfnisse dieser Altersgruppe gibt.

So wie bei Laura, die mit einer angeborenen, fortschreitenden unheilbaren Muskelerkrankung lebt. Das Mädchen kann ihren elektrischen Rollstuhl wohl mit Mühe aber selbst bedienen, besuchte die Schule und trifft sich gerne mit ihren Freundinnen. All das kann sie jedoch nie unbegleitet tun, denn das Mädchen kann sich kaum bewegen, ihre Atemwege müssen durch regelmäßiges Absaugen freigehalten werden und sie muss rund um die Uhr betreut und gepflegt werden. Einer beruflichen Tätigkeit kann die Mutter nicht mehr nachgehen, ihre Arbeit ist zu Hause – rund um die Uhr. Pausen macht sie, wenn die ehrenamtliche Hospizbegleiterin oder die mobile Pflege kommt. Mittlerweile fällt es ihr nicht mehr so schwer diese Zeit tatsächlich für sich zu nutzen.

Im Zentrum der Betreuung, in der es um Lebensbegleitung und Lebensqualität geht, steht nicht nur das erkrankte Kind, sondern auch seine Familie – vor allem die Eltern, Geschwister und Großeltern. Die Auseinandersetzung mit Krankheit, Tod und Trauer trifft die Familien in einer Zeit, die üblicherweise von Träumen und Wünschen für die Zukunft ihrer Kinder geprägt ist.

Aufgrund der Betroffenheit des ganzen Familiensystems auf körperlicher, seelischer, sozialer und spiritueller Ebene bedarf es neben der Grundversorgung auch multiprofessioneller, für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen qualifizierter Hospiz- und Palliativteams, bestehend aus ÄrztInnen und Pflegenden, PsychologInnen, SozialarbeiterInnen, TherapeutInnen, PädagogInnen, SeelsorgerInnen und ehrenamtliche HospizbegleiterInnen.

Immer wieder scheuen sich Familien, nach palliativmedizinischer Versorgung oder Unterstützung durch ein Hospizteam für zu Hause zu fragen. Viele Menschen denken, dass Palliativmedizin erst am Ende des Lebens zum Einsatz kommt, aber speziell bei Kindern und Jugendlichen dauert die Begleitung oft viele Jahre. Je früher multiprofessionellen Palliativteams in die Begleitung – vor allem auch zu Hause - eingebunden sind, umso besser kann die Unterstützung individuell auf die Bedürfnisse der Familien abgestimmt werden. Damit das gelingen kann, muss zunächst gemeinsam mit den betreuenden Krankenhäusern und Spezialambulanzen die Versorgung in den eigenen vier Wänden sichergestellt und Zuständigkeiten geklärt werden.  Denn um den herausfordernden Alltag zu schaffen, braucht es Sicherheit und Vertrauen in ein HelferInnensystem, das die Familie trägt und in ihrer Autonomie stärkt.  Manche wünschen sich, dass ÄrztInnen und KrankenpflegerInnen regelmäßig kommen, andere haben das Bedürfnis nach Gesprächen mit einer PsychologIn, brauchen den Rat bei einer SozialarbeiterIn und wieder andere suchen spirituellen Beistand. 

Wenn es um die laufende Entlastung im Alltag geht, kommt den ehrenamtlichen Hospizbegleiterinnen und Hospizbegleitern eine besondere Rolle zu. Sie schenken Zeit zum Spielen, unterstützen bei Hausaufgaben der gesunden Geschwister oder unternehmen kleine Ausflüge. Sie hören zu, führen Gespräche mit den Eltern oder übernehmen Besorgungen für sie.

Die Begleitungen können sich über Wochen, Monate jedoch häufig auch über Jahre erstrecken. Durch den enormen medizinischen Fortschritt der letzten Jahre können immer mehr Kinder, die von Geburt an chronisch krank sind und einen hohen Pflegeaufwand erfordern, mit ihrer Erkrankung deutlich länger leben. Stabile Krankheitsphasen wechseln sich mit Verschlechterungen oder schweren Krisen ab. Neben Symptomkontrolle und Schmerztherapie umfasst die hochqualifizierte und auf Lebensqualität ausgerichtete Versorgung insbesondere für die Betroffenen „da zu sein“, „zuzuhören“ und „sich Zeit zu nehmen“. Auch dann, wenn die Zeit des Abschiednehmens und das Sterben eines Kindes in die Nähe rückt. 

Das Symbol der Seiltänzerin für den österreichischen Kinderhospiztag- und Palliativtag wurde somit nicht zufällig gewählt. Der Alltag von Familien mit unheilbar kranken Kindern gleicht einem ständigen Balanceakt zwischen Leben und Tod, Hoffnung und Verzweiflung, Freude und Leid, guten und weniger guten Tagen. Aber auch das Tragen der Sorgen und Belastungen auf der einen Seite und das Getragen werden durch Familie, Freunde aber auch durch professionelle und spezialisierte Einrichtungen spiegelt sich in diesem Symbol wider.

Die Mutter zweier schwer kranker Jugendlicher hat diesen Balanceakt in ihre eigenen Worte gefasst:

„We cannot change the disease, but we can work on happiness.”
(“Wir können die Erkrankung nicht ändern, aber wir können daran arbeiten fröhlich zu sein.“)

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